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Die «Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa» GEKE hat der ersten Stadt am Rhein am 11. Feb. 2016 das Label «Reformationsstadt Europas» übergeben.

In schwerem Mantel und schwarzer Mütze betrat ein Schauspieler in der Rolle des Reformators Johannes Comander die Margarethenkirche in Ilanz. «Egal ob Mann oder Frau: Jeder soll über seinen Glauben selber entscheiden können.» Die szenische Darstellung brachte gleich zu Beginn der Übergabe des Labels eine zentrale Forderung der reformatorischen Bewegung in Graubünden zum Ausdruck: Entscheiden können bedeutet Freiheit. Und manchmal muss diese Freiheit erkämpft werden.

Was heute für viele eine Selbstverständlichkeit ist, sorgte noch vor fünf Jahrhunderten für hitzige Diskussion. Auch politisch, wie der Kirchenhistoriker und Projektleiter Jan-Andrea Bernhard, ausführte. Bernhard sieht die mit Ilanz verbundenen reformatorischen Ereignisse als Teil eines Demokratisierungsprozesses, der die Machtbefugnisse der Zentren abbaute und die Regionen aufwertete.

Dass der «Bundestag» der Drei Bünde den Gemeinden 1526 das Recht gab, ihre Geistlichen selber zu wählen und gegebenenfalls zu entlassen, wertet Bernhard als «einzigartig in ganz Europa». Andernorts hätten damals noch Landesfürsten über die Religion ihrer Untertanen entschieden. Es galt der Grundsatz «cuius regio, eius religio». Die «Ilanzer Artikel» aus dem Jahr 1526 dagegen sprachen dieses Recht den Gemeinden zu. Ein Recht, das auch in der heute geltenden Kantonsverfassung festgeschrieben ist.

Dekanin Cornelia Camichel Bromeis kam nach ihrem Grusswort auf die Bedeutung von Jubiläumsanlässen und die Herausforderungen der reformatorischen Kirchen heute zu sprechen. Bald fünf Jahrhunderte nach ihrer Entstehung sei die reformierte Bündner Kirche gut aufgestellt – sowohl finanziell wie personell.

«Was beschäftigt die Menschen heute?», fragte Camichel, «wenn es nicht mehr die Angst vor dem Fegefeuer ist, welches sind die heutigen Höllen?» Kirche sein heisst für sie nach den existentiellen Bedürfnissen der Menschen zu fragen. «Nicht im Alleingang» will die Dekanin die Bündner Kirche gestalten, sondern in Partnerschaft mit anderen, «nicht in Abgrenzung», sondern im Gespräch. Das Reformationsjubiläum solle mit ein Beitrag dazu sein.

Jan-Andrea Bernhard stellte das Jubiläumsprogramm vor. Bis 2019 soll das Thema «Reformation und Reformen in Graubünden» mit verschiedenen Partnern und mit verschiedenem Zielpublikum thematisiert werden. Geplant sind Kulturführungen, ein wissenschaftlicher Kongress, ein Kulturfestival, eine Scuntrada romontsch-tudestga (romanisch-deutsche Begegnung) und weitere Anlässe in Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort. Darunter die Schule, das Museum Regiunal Surselva, das Institut für Kulturforschung Graubünden, die Kirchgemeinden und die Lia Rumantscha. Auch die Theologische Hochschule und die Universität Zürich wurden als Partner gewonnen. «Es ist ein Programm für alle», so Jan-Andrea Bernhard.

Das Label «Reformationsstadt» will die gesamteuropäische Dimension der Reformation bewusst machen. 52 Städte in zwölf Ländern dürfen die Auszeichnung tragen. Ilanz ist mit 2500 Einwohnern die mit Abstand kleinste Reformationsstadt. Vom «Reformationsstädtchen Europas» sprach Mario Fischer, Projektleiter «Refo500» bei der GEKE, der eigens aus Wien für die Urkundenübergabe angereist war. Von einer «grossen Ehre für unsere Stadt» sprach Aurelio Casanova, der Gemeindepräsident von Ilanz.

Quelle: ref.ch

Foto (Stefan Hügli): Aurelio Casanova, Gemeindepräsident von Ilanz, Andreas Thöny (Kirchenratspräsident), Cornelia Camichel Bromeis (Dekanin), Jan-Andrea Bernhard (Kirchenhistoriker) und Mario Fischer von der GEKE (von links).