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Reformationsstadt Graz

Österreich

Graz

Auswandern oder katholisch werden

Die Landeshauptstadt der Steiermark liegt am südöstlichen Rand der Alpen, unweit der österreichischen Grenze zu Slowenien und zu Ungarn. 2003 war Graz die Kulturhauptstadt Europas und ihre Altstadt ist UNESCO-Weltkulturerbe.
Bereits in den 1520er Jahren breitete sich in Graz die reformatorische Lehre aus. Der Apotheker und Bürgermeister Simon Arbeiter setzte sich für evangelische Abendmahlsfeiern an. Bald war die Mehrheit der Bevölkerung evangelisch. Ab 1530 war Hans Ungnad von Sonnegg (1493-1564) Landeshauptmann der Steiermark. Er schloss sich ebenfalls der Reformation an. Sein Einfluss wuchs, nachdem er zum Obersten Feldhauptmann und von 1542 bis 1544 zusätzlich zum Statthalter des Erzherzogtums Österreich unter der Enns ernannt wurde. Doch seine Bemühungen um Religionsfreiheit bei König Ferdinand I. blieben erfolglos, so dass er 1556 seine Ämter niederlegte und zunächst nach Wittenberg zu Melanchthon zog und später die slowenische Bibelübersetzung von Primož Trubar unterstützte.
Die Habsburger verfolgten die Rekatholisierung der evangelischen Stadt. 1572 berief Erzherzog Karl die Jesuiten nach Graz. Bereits im Folgejahr errichteten sie in der Stadt ein Kolleg in Konkurrenz zu der florierenden evangelischen Landschaftsschule. Da das Jesuitenkolleg jedoch Anfangs nicht genug Zulauf hatte, wurde es 1586 zur Universität erhoben. Für die evangelische Seite kam 1574 der lutherische Theologieprofessor David Chyträus (1530-1600) von der Universität Rostock nach Graz um eine Schulordnung für die evangelische Landschaftsschule und eine Kirchenordnung auszuarbeiten. Der bekannteste Lehrer der evangelischen Schule war Johannes Kepler (1571-1630), der dort von 1594 bis 1600 Mathematik unterrichtete. Die Kirchenordnung regelte sowohl die Gottesdienstordnung und die Amtshandlungen als auch die Organisation der Kirche. In der Steiermark konnte als einzigem Territorium Österreichs das Amt eines evangelischen Superintendenten eingerichtet werden. Damit konnten für kurze Zeit in Graz evangelische Theologen ordiniert werden, während im Rest Österreichs die evangelischen Theologen in die evangelischen Territorien Deutschlands reisen mussten, um sich ordinieren zu lassen.
Doch die Gegenreformation beendete das blühende evangelische Leben. 1598 wurden alle evangelischen Prädikanten vertrieben, evangelische Bücher verbrannt und im Jahr darauf die evangelische Schule geschlossen. Religionskommissionen spürten Evangelische auf, um sie zu verurteilen. Nur dem Adel war es einige Jahre länger vorbehalten evangelisch zu sein, doch auch er stand ab 1628 vor der Wahl: Auswandern oder katholisch werden. Nur noch im Geheimen war evangelisches Leben möglich.
Erst nach dem Religionspatent von Kaiser Joseph II. aus dem Jahre 1781 war es Evangelischen in Österreich erlaubt, ihren Glauben zu leben. Es dauerte noch vierzig Jahre, bis 1821 in Graz eine „Evangelische Gemeinde Augsburger und Helvetischer Confession“ als Filiale der nächstgelegenen Pfarrgemeinde Wald am Schoberpass entstehen konnte. 1824 konnte die Gemeinde ein Bethaus erbauen und 1828 eine evangelische Schule einrichten. In den folgenden Jahren siedelten sich mehr und mehr Protestanten in Graz an und trugen zum Aufschwung in der Stadt bei. Heute gibt es in Graz fünf evangelische Pfarrgemeinden und eine evangelisch-methodistische Gemeinde. Die evangelische Kirche unterhält einen Friedhof, ein Studentenwohnheim und verschiedene diakonische Einrichtungen.

Die Stadt Graz möchte die Möglichkeit wahrnehmen, ihre Geschichte zur Zeit der Reformation zu thematisieren und der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So wird Graz mit kritischem Blick den Umgang mit den ProtestantInnen zur Zeit der Reformation in Graz beleuchten. Ebenso gilt es zu thematisieren, dass nach dem Toleranzpatent unter Joseph II. im Jahr 1781 sehr viele ProtestantInnen nach Graz kamen und zum wirtschaftlichen Wachstum der steirischen Landeshauptstadt beitrugen.

Siegfried Nagl

Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz

Links

Stadt Graz http://www.graz.at/
Tourismusbüro Graz http://www.graztourismus.at/de
Evangelische Heilandskirche Graz http://heilandskirche.st/
Evangelische Kreuzkirche Graz http://www.kreuzkirche-graz.at/
Evangelische Kirche Steiermark http://www.evang.st/
Evangelisch sein – 500 Jahre Reformation www.evangelisch-sein.at