Reformationsstadt Schwaz
Österreich
Schwaz
Bergknappen, Täufer und Hutterer
Schwaz liegt im österreichischen Bundesland Tirol im Inntal am Fuß der Tuxer Alpen.
Schon in der Bronzezeit war in den Bergen um Schwaz Kupfer abgebaut worden, das in Verbindung mit Zinn zur Produktion von Bronze benötigt wurde. Als im späten Mittelalter jedoch auch noch Silbererzvorkommen entdeckt wurden, gelangte die Stadt zu Reichtum und Wohlstand und avancierte mit ihrer Montanindustrie im 15. und 16. Jahrhundert zu einer europäischen Bergbaumetropole mit 20.000 Einwohnern. Damit war Schwaz nach Wien die zweitgrößte Stadt im Habsburgerreich. Zugleich entwickelte sich die Stadt zu einem bedeutenden Handelszentrum für den Warenverkehr von Deutschland über den Brenner nach Italien.
Über die Handelsbeziehungen zu den deutschen Städten, aber auch durch die Tatsache, dass viele Bergknappen aus den Bergbauregionen Deutschlands in die Stadt kamen, gelangten die reformatorischen Ideen schon früh nach Tirol. Besonders in den Kreisen der Bergknappen sah man in der Aufbruchsbewegung der Reformation Luther als Anwalt eigener sozialer, wirtschaftlicher und auch politischer Anliegen.
1521/22 war der reformatorische Theologe Jakob Strauß (um 1480 – um 1532) als Prädikant in Hall und Schwaz tätig und hatte dabei großen Zulauf, bis er unter Einflussnahme des Bischofs in Brixen aus Tirol fliehen musste. In seinen reformatorischen Predigten kritisierte er die katholischen Lehren und verurteilte Zins und Wucher.
Schon bald bekannte sich die große Mehrheit der Bevölkerung zu der neuen Lehre. Nur das Franziskanerkloster bildete ein letztes katholisches Bollwerk in der Stadt. In der Pfarrkirche Maria Himmelfahrt wurde die hölzerne Trennwand, die einst errichtet war, um Bürger und Bergknappen sozial zu trennen, nun auch zum Symbol der religiösen Spaltung: Zwischen den Bürgern mit der Messe im lateinischen Ritus und den Knappen mit ihrem Gottesdienst auf Deutsch nach lutherischer Ordnung.
In der Bergbauregion Tirol kam es 1525 in den Bauernaufständen zu Verbindungen zwischen aufständischen Bauern und revoltierenden Bergknappen. Nach Niederschlagung der Aufstände, die Luther schließlich scharf verurteilt hatte, erhielt in Tirol die Täuferbewegung großen Zulauf. In den Tiroler Gebieten war Jakob Hutter (um 1500-1536) ihr charismatischer Anführer. Er zog durch das Pustertal, wo er einige täuferische Gemeinden gründete.
Im Unterschied zum revolutionären und gewaltbereiten Täufertum lehnten die „Hutterer“ Krieg und Gewalt ab. Sie forderten die Trennung von Kirche und Staat und praktizierten anstelle der Kindertaufe die Bekenntnistaufe. Nach dem Vorbild neutestamentlicher Schilderungen der Jerusalemer Urgemeinde lebten sie in Gütergemeinschaft unter Verzicht auf persönlichen Besitz.
Als „ketzerische Sekte“ von evangelischer und katholischer Seite verdammt, wurden die Täufer radikal verfolgt. Allein in Schwaz, Rattenberg und Brixlegg wurden 400 bis 600 hingerichtet, andere des Landes verwiesen. Hutter selbst erlitt 1536 in Innsbruck vor dem Goldenen Dachl den Feuertod als Ketzer. Nachdem die Glaubensgemeinschaft der Hutterer in Europa immer wieder Verfolgungen erdulden musste, siedelte sie sich schließlich im 19. Jahrhundert in den USA und in Kanada an. Dort wird noch heute das Tiroler Erbe lebendig gehalten.
1532 gründete der Meistersänger und Spruchdichter Hans Sachs (1494-1576), einer der einflussreichsten Literaten der Reformation, eine Meistersängerschule in Schwaz. Seine erste Komposition, als er sich am Hofe in Innsbruck aufhielt, heißt „Silberweise“, die er, wie es scheint, unter dem Eindruck des in der Stadt florierenden Silberbergbaus geschrieben hatte. Teile der Melodie wurden später in evangelischen Kirchenliedern verwendet, unter anderen von Luther selbst in dem bekannten Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“.
Jedoch wie in vielen anderen Landesteilen wurde mit dem Beginn der Gegenreformation nach 1575 auch in Schwaz die grundlegende Änderung der religionspolitischen Situation erzwungen. Die evangelische Bevölkerung musste ihren Glauben fortan im Verborgenen leben. Auch das Toleranzpatent Kaiser Franz Josefs II. von 1781 erlaubte in Tirol erst sehr viel später die Gründung von evangelischen Gemeinden. Noch 1837 wurden evangelische Christen aus dem Zillertal ins Exil gezwungen.
Heute leben in Schwaz etwa 230 evangelische Christen, im Bezirk Schwaz stellen sie 0,7 Prozent der Bevölkerung.
Uli Jung
Links
Stadtgemeinde Schwaz: www.schwaz.at
Evangelische Superintendentur Salzburg-Tirol: www.sichtbar-evangelisch.at