Reformationsstadt St. Pölten
Österreich
St. Pölten
Evangelisch in Niederösterreich
Die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pölten liegt im Alpenvorland am Fluss Traisen. Ihre Gründung erfolgte wahrscheinlich im Zusammenhang des Baus des Hippolytklosters im 8. Jahrhundert. Und daher kommt auch der Stadtname: St. Hippolyt wurde zu St. Pölten. Das Stadtrecht wurde im 11. Jahrhundert durch den Bischof von Passau verliehen. Im selben Jahrhundert wurde unter dem Passauer Bischof im Kloster die Augustiner Chorherrenregel eingeführt. Unter dem Habsburger Maximilian I. wurde die Stadt Ende des 15. Jahrhunderts als dessen Kriegsbeute zum landesfürstlichen Eigentum erklärt, übrigens gegen die Ansprüche des eigentlichen Stadtherrn, des Passauer Bischofs.
Schon früh gelangte reformatorisches Gedankengut nach St. Pölten. 1522 musste sich der St. Pöltner Bürger Philipp Hueter als Anhänger der neuen Lehre vor Rat und Richter verantworten. Die frühreformatorische Bewegung blieb jedoch allem Anschein nach Episode. Eine mehrheitlich vom Rat und der Bevölkerung getragene reformatorische Bewegung lässt sich erst Jahrzehnte später ab Ende der 1550er Jahre nachweisen. Während dieser Zeit war der niederösterreichische Landtag, in dem auch St. Pölten Mitglied war, weitgehend vom Luthertum dominiert. Die niederösterreichischen Städte versuchten ihre religionspolitischen Autonomieansprüche gegenüber dem am Katholizismus festhaltenden habsburgischen Landesherrn Kaiser Maximilian II. durchzusetzen.
Gegen den Widerstand des Chorherrenstiftes setzte der Rat in St. Pölten 1559 es durch, dass der Lutheraner Conrad Lindemayer, ein ehemaliger Prämonstratenser aus Bruck bei Znaim in Südmähren, an der Pfarrkirche Unserer Lieben Frauen angestellt wurde. Die Besetzung bildete den Ausgangspunkt fortgesetzter Konflikte mit dem Stift. Infolgedessen nahm die Ratsregierung konsequent die religionspolitische Neuordnung in die Hand, so dass St. Pölten zehn Jahre danach 1569 eine evangelische Stadt geworden war.
Eine führende Rolle zur Umgestaltung des Gemeinwesens im evangelischen Sinne nahm der Ratsherr und Stadtrichter Martin Zandt ein. Er sicherte den Einfluss des Rates auf die Besetzung der Predigtstelle an der Stadtpfarrkirche. Mit der Berufung des Predigers Sigmund Süß 1568 wurde nun auch die Mehrheit der Bevölkerung für die lutherische Reformation gewonnen. Auch den Bildungsbereich übernahm der Rat vom Stift und stellte ihn in die Verwaltung der Stadt. Das städtische Schulwesen war einst aus der mittelalterlichen Klosterschule des Stiftes hervorgegangen, die sich im 15. Jahrhundert zu einer humanistischen Lateinschule entwickelt hatte. Jetzt gründete der Rat ein Konkurrenzunternehmen, eine deutsche Bürgerschule, die allen Bewohnern offenstand. Auch die Krankenversorgung, die ganz zum Chorherrenstift gehört hatte, ging mit der neuen Einrichtung eines „Bürgerspitals“ in die Verantwortung der Stadt über. Überdies übernahm sie zuletzt auch die Verwaltung des Friedhofs.
Kaum, dass St. Pölten evangelisch geworden war, begann das Blatt sich jedoch zu wenden, nachdem Georg Huber 1569 als neuer Chorherr des Stiftes bestätigt worden war. Huber fuhr sogleich einen strikten antireformatorischen Kurs. Er beanspruchte den alten Vertrag für die Stadtkirche und kündigte dem Prediger Süß. Darauf übernahm der Rat seine Besoldung. Das wiederum nahm Huber zum Anlass, die Pfarrkirche zu sperren. Der Konflikt eskalierte, als unter der Führung des Stadtrichters Martin Zandt die Kirche gewaltsam aufgebrochen und die Tür aus den Angeln gehoben wurde. Nun kam die Sache vor den Landesherrn Kaiser Maximilian. Die an der Aktion beteiligten Räte wurden für schuldig befunden. Prediger Süß musste die Stadt verlassen.
Die evangelische Bevölkerung ging daraufhin ins Herrenhaus der St. Pöltner Herrschaft des Franz von Prösing, um ihren Gottesdienst zu besuchen. Eine andere Alternative war, die Stadt zu verlassen, um an den Gottesdiensten in den Kapellen und Kirchen unter dem Patronat adliger Grundbesitzer teilzunehmen. So etwa auf Schloss Kreisbach in Wilhelmsburg, das im Besitz der Familie Jörger war.
1578 jedoch war das politische Schicksal der Reformation in St. Pölten besiegelt. Durch kaiserliches Dekret wurden dem Rat der Stadt alle „Neuerung in Religionssachen“ untersagt, das Verbot des Besuches der Kapelle im Herrenhaus und der Dorfkirchen verfügt, außerdem die Schließung der Schulen sowie die Beteiligung an der Fronleichnamsprozession auferlegt. Im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts fanden sich kaum noch Spuren evangelischen Lebens in der Stadt.
Erst mit dem Toleranzpatent unter Kaiser Franz Josef II. 1781 wurde die Gründung evangelischer Gemeinden erlaubt. In St. Pölten sollte es aber noch gut einhundert Jahre dauern, bis sich eine evangelische Gemeinde gründete. Heute ist die Stadt auch Sitz der Superintendentur A.B.
Links
Stadt St. Pölten: www.st-poelten.at
Evangelische Pfarrgemeinde A. und H.B. in St. Pölten: stpoelten.evang.at
Evangelische Kirche in Österreich: evang.at