Reformationsstadt Steyr
Österreich
Steyr
Waldenser, Barfüßer, Täufer …
Die oberösterreichische Stadt Steyr hat sich im 19. Jahrhundert aus einem kleinen Ort zu einem wichtigen Standort, der Waffen-, Motoren- und Fahrzeugindustrie entwickelt. Dabei war die Stadt dreihundert Jahre zuvor in der Reformationszeit noch die zweitgrößte Stadt Österreichs.
Durch Eisenhandel war die Stadt Steyr im Mittelalter reich geworden. Aus Frankreich vor der Inquisition fliehende Waldenser ließen sich in der Gegend um Steyr nieder und ihre Lehre fand dort im 13. und 14. Jahrhundert großen Anklang. Große Teile der Bevölkerung hielten sich zu der christlichen Reformbewegung und kamen im Bummerlhaus in Steyr zu geheimen Gottesdiensten zusammen, bei denen die Bibel gemeinschaftlich ausgelegt wurde. In mehreren Wellen verfolgte die Inquisition die Waldenser und klagte über tausend Menschen in Steyr als Ketzer an. 1397 wurden ca. 100 Waldenser vor den Toren der Stadt als Ketzer verbrannt.
Der Boden in Steyr war damit fruchtbar für Kritik an der kirchlichen Machtausübung. Bereits 1520 hielt auf Einladung der Stadt der Barfüßer Patricius Fastenpredigten im evangelischen Sinne. Gegen seine bischöfliche Abberufung regte sich Widerstand, ebenso, als 1525 der Barfüßermönch Calixtus nach evangelischen Predigten zum Bischof zitiert wurde. Auch der nächste evangelische Prediger wurde 1527 abgezogen, so dass der Rat der Stadt warnte, es habe sich schon so viel radikales Potential in der Stadt angestaut, von dem man nicht wisse, wohin es führe. Noch im selben Jahr wurde der Täuferprediger Hans Hut (ca. 1490-1527) nach Steyr eingeladen. Er predigte und taufte mit großem Zulauf in der Stadt. Fünfzehn Täufer wurden 1528 in Steyr für ihren Glauben hingerichtet. Doch auch noch vierzig Jahre später bekannten sich einige angesehene Familien in Steyr als Täufer. Die reiche Stadt war nahezu vollständig evangelisch. Um 1600 bekannten sich nur noch 18 Bürger zum Katholizismus. Die Evangelische Stadtschule genoss einen guten Ruf, der Schulorganist und Orgelbauer Paul Peuerl (1570-1625) wurde als Komponist gefeiert. Taufen, Trauungen und Bestattungen wurden nach evangelischem Ritus gefeiert.
Die Gegenreformation brachte das evangelische Leben innerhalb weniger Jahre zum Erliegen und hatte einen erheblichen Bevölkerungsverlust zur Folge. Da in den innerstädtischen Kirchen nur noch katholischer Gottesdienst gefeiert wurde, wanderten die Evangelischen Sonntags zum Gottesdienst zu den Schlössern der evangelischen Adeligen, bei denen noch evangelische Gottesdienste gefeiert werden durften. Doch bald wurden die evangelischen Pfarrer ausgewiesen, die evangelischen Bücher beschlagnahmt und die Bevölkerung vor die Wahl gestellt: Konversion zum Katholizismus oder Auswandern. Über tausend Einwohner verließen daraufhin die Stadt, 228 Häuser standen leer, elf Hammerwerke wurden stillgelegt. Der Aderlass der evangelischen Einwohner führte fast zur Wüstung der Stadt und zum Ruin der Eisenindustrie.
Als Kaiser Joseph II. (1741-1790) 1781 im Toleranzpatent den Evangelischen die private Religionsausübung gestattete, gab es in Steyr keine evangelischen Einwohner mehr. Erst durch das Aufblühen der Waffenindustrie kamen im 19. Jahrhundert auch evangelische Facharbeiter nach Steyr. 1877 konnten sie eine Evangelische Pfarrgemeinde gründen und 1898 eine evangelische Kirche erbauen.
Im Rahmen des Reformationsjubiläums wird in Steyr eine Ausstellung ausgearbeitet, die unter anderem die Evangelische Kirchenordnung von 1567 und die Taufbücher des 16. Jahrhunderts zeigt. Kompositionen von Paul Peuerl werden wieder neu zur Aufführung kommen und ein Themenweg „Reformation in Steyr“ wird erstellt.
Links
Stadt Steyr www.steyr.at
Tourismusbüro Steyr www.steyr.info
Evangelische Kirche Steyr und Veranstaltungskalender Steyr www.evang-steyr.at
Evangelische Kirche Oberösterreich www.evang-ooe.at
Evangelisch sein – 500 Jahre Reformation www.evangelisch-sein.at