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Reformationsstadt Tallinn

Estland

Tallinn

Wo der weite Horizont bleibt, auch wenn das Meer zufriert

Die Hauptstadt von Estland zählt zu den wichtigen Zentren im nördlichen Ostseeraum.

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entwickelte sich die Hansestadt Tallinn (Reval) an einem günstigen Hafenort an der Südküste des Finnischen Meerbusens am Fuß einer 1219 von dänischen Kreuzfahrern gegründeten Burg. Der deutsche Name der Stadt leitet sich vom Namen der umliegenden Landschaft Rävala ab, der estnische Name Tallinn bedeutet wohl „Stadt der Dänen“. Die eingewanderten deutschen Kaufleute, die die Eliten der Stadt stellten, und das in Tallinn geltende Lübische Stadtrecht prägten maßgeblich das kulturelle Antlitz der Stadt. Tallinn war eine wichtige Station im großen Ost-West-Handel zwischen Novgorod, Lübeck, Amsterdam und der Biskaya.

In Tallinn nahm die Reformation einen bemerkenswert frühen Anfang. Die ersten evangelischen Prediger trafen schon 1523 dort ein, und der Rat der Stadt und die Gilden schlossen sich bereits im darauffolgenden Jahr der Reformation an. Die erste Botschaft an seine Anhänger in Livland adressierte Martin Luther im Herbst 1523 unter anderem auch an die Tallinner. Im Laufe des Jahres 1524 verschlechterte sich das Verhältnis der neuen Prediger zu den örtlichen Dominikanern, was im September desselben Jahres zu einem Bildersturm führte. Dem Rat, der sich auf die Seite der neuen Prediger stellte, gelang es schon am nächsten Tag, die Ordnung wiederherzustellen. Die Dominikaner wurden vertrieben, der katholische Gottesdienst verboten und die Verwaltung der Kirchengüter umorganisiert. Zusammen mit den anderen livländischen Städten Riga und Tartu (Dorpat) schloss sich Tallinn im Jahre 1533 der Wittenberger Reformation an. Doch blieben der Domberg und das Zisterzienserinnenkloster in der Unterstadt weiter katholisch. Als sich die Stadt 1561 dem König von Schweden unterwarf, bestätigte der neue Herrscher die freie Predigt des Wortes Gottes und verbot auch den Klöstern, Messen lesen zu lassen.

Unter der schwedischen Herrschaft festigte sich die lutherische Lehre und blieb die dominierende Konfession auch in späteren Jahrhunderten. Seit 1710 gehörte das Land zum Russischen Reich, in dem die Zentralmacht die Verbreitung der Orthodoxen Kirche begünstigte; das Luthertum blieb aber ein wichtiger Grundstein der regionalen Identität. Tallinn, die Hauptstadt der 1918 ausgerufenen unabhängigen Republik Estland wahrt mit Stolz das reiche Erbe ihrer Vergangenheit. Seit 1997 steht die guterhaltene mittelalterliche Altstadt der Stadt auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes und 2011 war die Stadt gemeinsam mit dem finnischen Turku europäische Kulturhauptstadt.

Im kulturgeschichtlichen Blickwinkel wird die Bedeutung Tallinns als europäische Reformationsstadt auch an dem reichen kulturellen Erbe deutlich, das auf die Reformation des 16. Jahrhunderts zurückgeht und bis heute etwa in der Architektur der Stadt und in den Ausstattungen der Kirchen sichtbar ist.

Juhan Kreem, Stadtarchiv Tallinn

Links

Stadt Tallinn www.tallinn.ee
Tourismusbüro Tallinn www.visittallinn.ee
Stadtarchiv Tallinn http://www.tallinn.ee/arhiivindus/ http://www.tallinn.ee/arhiivindus/
Estonian History Museum http://www.ajaloomuuseum.ee/en
Estnische Evangelisch-lutherische Kirche http://www.eelk.ee/en/
Domkirche Tallinn www.toomkirik.ee
Offene Kirchen in Estland http://www.teelistekirikud.ekn.ee/2016/en.php